Als Dozent für „Penetration Testing“ kenne ich den ausschlaggebenden Beweggrund meiner Studentinnen und Studenten für ihre Teilnahme am Wahlpflichtfach nur zu gut. Die Rede ist von „Hacking“. Bereits in jungen Jahren für viele ein spannendes Thema – brennt sich das Hacken von IT-Systemen doch durch seine Darstellung in Film und Fernsehen schon früh als aufregend in die Köpfe der Zuschauer ein. Es ist somit kein Wunder, dass ein beruflicher Weg hin zum Penetrationstester mehr als verlockend klingt. Was viele dabei nicht wissen: Hacking stellt „nur“ den technischen Part eines Pentests dar, weshalb sich auch die Suche nach einer geeigneten Personenzertifizierung als schwierig gestaltet(e).
Im Allgemeinen versuchen Hacker Sicherungsmechanismen zu umgehen oder zu brechen, um einen unbefugten Datenzugriff zu erhalten. Das Aufgabengebiet Penetration-Testing entstand deshalb mehr oder weniger als eine Art Gegenmaßnahme seitens der IT-Sicherheit im Wettrüsten mit den Angreifern: Potenzielle Auftraggeber bitten bzw. beauftragen Pentester mit der Identifizierung der Schwachstellen ihrer IT-Systeme, um diese am Ende härten bzw. schließen zu können.
Hierbei wendet ein Pentester konsequenterweise dieselben technischen Verfahren an wie ein böswilliger Angreifer. Aber nicht nur das. Zusätzlich wird eine strukturierte Vorgehensweise benötigt, um reproduzierbare Ergebnisse zu erzielen. Ohne eine solche Vorgehensweise können (offensichtliche) Schwachstellen unentdeckt bleiben. Im Gegensatz zu einem Hacker genügt dem Pentester nicht ein einziger Einstiegspunkt in das IT-System, sondern er will alle aufdecken. Ebenso müssen die identifizierten Schwachstellen dem Auftraggeber mitgeteilt werden. Dies geschieht üblicherweise in einem abschließenden Bericht oder in einer Präsentation, wobei die Schwachstellen nicht nur aufzulisten, sondern auch nach ihrem Risiko zu priorisieren sind. Folglich stellt Hacking „nur“ den technischen Part in einem Pentest dar.
Bis dato existiert weder eine staatlich anerkannte Ausbildung noch ein solcher Studiengang zum Penetration-Testing, weshalb es im Informationssicherheitssektor üblich ist, solche speziellen Fähigkeiten und Fertigkeiten über Zertifizierungsprogramme zu erlangen und/oder nachzuweisen. Im Hinblick auf Penetration Testing sind insbesondere die Zertifikate CEH von EC-Council und OSCP von Offensive Security weit verbreitet – unterscheiden sich in der Prüfung der Teilnehmenden jedoch wie Schwarz und Weiß. Während die Zertifizierung als CEH mittels einer theoretischen Prüfung – konkret Multiple-Choice-Aufgaben – erlangt werden kann, muss der zukünftige OSCPler eine 24-stündige praktische Prüfung, in welcher 5 IT-Systeme vollständig kompromittiert werden sollen, absolvieren. Unabhängig davon sehe ich bei beiden Zertifizierungen den Fokus auf dem technischen Verständnis, welches zwar das Fundament eines Penetrationstests darstellt, aber noch zu keinem befähigt; für mich ein Kritikpunkt, ohne den Schwierigkeitsgrad beider Prüfungen infrage stellen zu wollen.
Zumindest mir fiel der Übergang von der OSCP-Prüfungsumgebung in die Realität schwer. Am spürbarsten war dies in Bezug auf die Anfälligkeit von IT-Systemen für Sicherheitslücken. Im Vergleich zum Übungslabor von Offensive Security sind in der Praxis oftmals (härtere) Sicherheitsmaßnahmen anzutreffen, wodurch die vollständige Kompromittierung eines IT-Systems nicht immer gewährleistet werden kann. Zudem wünscht sich der Auftraggeber eines Pentests im Regelfall die Identifikation sämtlicher Schwachstellen in seinen IT-Systemen, weshalb die Prüfung nicht mit dem Aufdecken des erstbesten Einfallstors endet. Auch die Berichterstellung steht in einem ganz anderen Licht, da dies das einzige Dokument ist, welches der Auftraggeber in seinen Händen halten wird. Kurzum: Das Spielparadies des OSCP nahm ein Ende und die Realität brach ein. Leider kam dies unerwartet, da keine der zahlreichen zurate gezogenen Rezensionen im Internet die Unterschiede zum realen Tätigkeitsfeld eines Penetrationstesters erwähnt hatte.
Nachdem ich mit meinem B.Sc. in Informatik an der Hochschule Darmstadt (h_da) und mit meiner als Pentester der binsec GmbH gesammelten Berufserfahrung die formelle Eignung erworben hatte, eine Lehrveranstaltung zu halten, wollte ich mein Wissen rund um Penetration Testing weitergeben. Personen mit einem Hang zur IT-Sicherheit sollten künftig einen „leichteren“ Einstieg in die Materie erhalten als ich zu meiner Zeit. Unter Zustimmung der Fachgruppe „IT-Sicherheit“ an der h_da konzipierte ich das Wahlpflichtmodul „Penetration Testing“, in welchem die Studierenden das „Pentest-Einmaleins“ – von der Klassifikation eines Pentests, über das eigentliche Hacking, bis hin zur Berichterstellung – am Beispiel eines fiktiven Firmennetzwerks erlernen und anwenden können. Dies geschah anfänglich noch mithilfe von Amazon AWS; doch aufgrund der großen Nachfrage und positiven Resonanz meiner Studierenden entschlossen wir als binsec uns dazu, ein globales Online-Zertifizierungsprogramm zu entwerfen: die Qualifizierung zum BACPP (Binsec Academy Certified Pentest Professional), die sich aus einer Online-Prüfung, dem „Pentest Exam“, und einer optionalen Online-Schulung, dem „Pentest Training“, zusammensetzt.
Während sich die Online-Schulung historisch aus meiner Hochschullehrveranstaltung heraus entwickelt hat, können IT-Spezialisten im „Pentest Exam“ ihre Expertise unter neu konzipierten, realen Bedingungen unter Beweis stellen. So können zertifizierte BACPPler
- IT-Systeme kompromittieren und Zero-Day-Exploits entwickeln,
- Netzwerke und Anwendungen nach einer reproduzierbaren Vorgehensweise auf Schwachstellen hin untersuchen,
- all ihre Findings in einem strukturierten Bericht für den Auftraggeber niederlegen und sie nach ihrem Risiko priorisieren,
- einen mehrtägigen Penetrationstest professionell durchführen.
Rückblickend scheint sich meine (zeitintensive) interdisziplinäre Arbeit gelohnt zu haben: Das situierte Lernen in der Informationssicherheit einzusetzen hat nicht nur die Begeisterung vieler Studierender geweckt, sondern auch die ersten BACPP-Zertifizierten angesprochen. Die Theorie des situierten Lernens setzt in der Wissensvermittlung auf realistische Anwendungssituationen, welche das primäre Kennzeichen meiner Lehrveranstaltungen und meiner Trainings sind. Analog wurde der BACPP konzipiert und setzt auf den Nachweis praktischer und realer Erfahrung.