Wirtschaftsminister Rösler sieht technischen Vorsprung bei Verschlüsselungstechnologien

Unser Wirtschaftsminister Philipp Rösler aus der FDP sieht einen technischen Vorsprung bei Verschlüsselungstechnologien. Im Morgenmagazin der ARD  sagt er: „Wir haben jetzt schon einen technischen Vorsprung bei Verschlüsselungstechnologien aber ein normaler Mittelständler, der kennt sich damit natürlich nicht so gut aus.“

Nicht nur, dass normale Mittelständler sich nicht mit Verschlüsselungstechnologien auskennen sollen, bei Rösler ist das vermutlich auch nicht der Fall. Wo haben „wir“ bei Verschlüsselungstechnologien einen technischen Vorsprung? Die aktuell sichersten kryptographischen Verfahren kommen nicht aus Deutschland, z.B. AES, RSA oder SHA-3. Und ich sehe auch keine Anwendungsfälle, in denen wir irgendwie führend sind. Was haben wir, was andere nicht haben… ach genau: DE-Mail. Warum ist DE-Mail sicher? Weil der Gesetzgeber das sagt. Und die Marketingkampagne „E-Mail Made in Germany“ hinkt technisch Google hinterher. Deutschland hat keinen technischen Vorsprung bei Verschlüsselungstechnologien.

Ist Google sicherer als „E-Mail Made in Germany“?

Heise Security hat E-Mail Provider auf die Unterstützung der Verschlüsselungsoption „Forward Secrecy“ untersucht. Forward Secrecy sorgt dafür, dass verschlüsselter Datenverkehr in SSL/TLS nachträglich nicht entschlüsselt werden kann, wenn man an den geheimen Schlüssel des Servers kommt. Ohne Forward Secrecy kann nachträglich unter Umständen der gesamte Datenverkehr im Nachhinein entschlüsselt werden.

Die Mail-Provider der „E-Mail Made in Germany“-Kampagne unterstützen laut heise security diese Option nicht durchgehend. Google hat bereits 2011 umgestellt. E-Mail Made in Germany hinkt also Google in diesem Punkt hinterher. Hier bietet Google ein höheres Sicherheitsniveau als deutsche Mail-Provider.

IT-Security wird an den Hochschulen zu sehr vernachlässigt

An vielen Universitäten und Fachhochschulen wird das Thema IT-Security in Informatikstudiengängen vernachlässigt. Man kann heute immer noch Informatik oder Wirtschaftsinformatik studieren, ohne eine Vorlesung in IT-Security oder Security Management gehört zu haben. Die Hochschulen verschlafen die steigende Bedrohungslage. Dafür produzieren sie immer noch Studenten, die PHP-Anwendungen schreiben, die keine grundlegende Eingabevalidierung besitzen. Die üblichen Schwachstellen der OWASP Top 10 werden so nicht aussterben. Wenn nicht das Niveau der Studiengänge in diesem Bereich steigt, werden wir immer wieder dieselben Sicherheitslücken sehen.

Ich kann Unternehmen nur empfehlen, ihre Hochschulabsolventen direkt in Weiterbildungen zu setzen, um die Versäumnisse der Hochschulen auszugleichen. Je früher desto besser. Ich würde mich zwar freuen, wenn die Qualität der Lehre in diesem Bereich zulegt, aber ich glaube nicht daran.

Marketing „E-Mail Made in Germany“

Das Projekt „E-Mail Made in Germany“ ist ein schönes Beispiel für gutes Marketing. Die größeren Provider nutzen nun TLS zur verschlüsselten Datenübertrag zwischen einzelnen Mail-Servern. Mich würde interessieren, ob es vorher auch so war oder ob es nun wirklich neu ist. Die Technik an sich ist zumindest gar nicht neu. Und die deutschen Provider sind nicht die einzigen, die sie nutzen. Die Darstellung „Made in Germany“ finde ich etwas verzerrend, da bisher nur Telekom, WEB.de und GMX beteiligt sind. Nicht einmal 1&1 als Tochter von United Internet ist dabei. Auch die Tochter Strato der Telekom ist nicht dabei. Der deutsche E-Mail-Verkehr wird nicht ausschließlich von den beteiligten drei Unternehmen bzw. Töchterunternehmen abgewickelt. Aber man nennt es „Made in Germany“.

Da auch bei diesem Projekt wie bei DE-Mail keine Ende-Zu-Ende-Verschlüsselung eingesetzt wird, kann der gesamte Mailverkehr weiterhin auf jedem beteiligten Mailserver mitgeschnitten werden. Das wird natürlich auf der Projekt-Website nicht näher erwähnt. Insgesamt ist es nun für die NSA etwas schwieriger geworden, deutschen Mailverkehr mitzulesen. So schlimm wird es aber für sie nicht kommen, da der deutsche Geheimdienst BND oder zumindest Vollzugsbehörden mit gerichtlicher Genehmigung weiter an jede deutsche E-Mail gelangen.

Besser wäre es grundsätzlich, wenn man nicht wieder die x-te deutsche Eigenbrötlerei (wie BSI Grundschutz, TISP) betreiben würde, sondern international das Thema zwischen verschiedenen Providern besprechen würde. Jetzt haben wir in Deutschland nicht nur DE-Mail, das keiner verwendet, sondern auch noch „E-Mail Made in Germany“. E-Mails sind bei Google sicher nicht unsicherer als bei GMX & Co. Bei einigen Nutzern wird bestimmt dennoch hängen bleiben, dass Mails bei der Telekom, GMX und WEB.de sicherer sind als bei anderen. Respekt vor dem Marketing.