In der aktuellen FAZ (Frankfurter Allgemeinen Zeitung) vom Samstag, 19. April 2014 findet sich im Wirtschaftsteil auf Seite 23 eine ganzseitige Anzeige der HOB GmbH & Co. KG aus Cadolzburg mit der Überschrift „Internet-Sicherheit und Heartbleed“.
Der Heartbleed-Bug in OpenSSL ist als sehr kritisch anzusehen und hat viele Systeme betroffen. Als Geschäftsführer des Beratungsunternehmens binsec betreute ich selbst Kunden, die davon betroffen waren und wie viele andere war auch ich nicht sonderlich begeistert über den Fehler und den Vorfall. Der Code-Fehler wurde von einem der vielen Open Source-Entwicklern begannen, denen wir das Internet in der aktuellen Form zu verdanken haben. Ohne Linux, freie BSD-Varianten, die Apache-Projekte, OpenSSH, OpenSSL usw. sähe das Internet heute anders aus.
Der Fehler von OpenSSL wurde von einem mittlerweile namentlich bekannten Mitarbeiter eines der größten IT-Unternehmen Deutschlands verursacht. Ich möchte am aktuellen Shit-Storm gegenüber ihm nicht teilnehmen und verzichte deswegen auf die namentliche Nennung. Der betroffene Code soll im Rahmen seiner Promotionsarbeit entstanden sein. Im Review-Prozess bei OpenSSL wurde der Fehler leider übersehen, sodass wir nun weltweit um einen hochkritischen Bug reicher sind.
Herr Klaus Brandstätter, Diplom-Ingenieur (vermutlich ohne vorhandene Promotion), 59 Jahre alt und CEO der Firma HOB GmbH & Co. KG verkündet nun auf seiner Werbeanzeige für sein Unternehmen auf etwas über 15 Textabsätzen, warum die Anwendungen HOB RD VPN basierend auf HOB-SSL viel sicherer als OpenSSL sind. Die Common Criteria EAL 4+ Zertifizierung mag ihm da eventuell Recht geben. Das möchte ich nicht beurteilen. Dass er aber auf 9 Absätzen einen Shit-Storm auf OpenSSL, den deutschen Entwickler und Open Source im Allgemeinen loslässt, damit mag ich mich nicht abfinden.
Ich zitiere den dritten Absatz, 1. Teil:
„Es gibt den Grundsatz: alles was der Benutzer eingibt muss sorgfältig geprüft werden. Das wissen eigentlich alle, auch die Entwickler von Webseiten. Des weiteren gibt es den Grundsatz, dass alles was vom Netzwerk kommt grundsätzlich geprüft werden muss – insbesondere wenn es aus dem Public Internet kommt, vielleicht von Hackern.“
Ob das wirklich alle wissen, sei einmal dahingestellt. Ansonsten gebe ich Herrn Brandstätter soweit reicht. Im zweiten Teil seines dritten Absatzes wird er aber ausfällig:
„Der betreffende Entwickler hat diesen (einfachen) Grundsatz nicht beachtet. Also ist der betreffende Entwickler nicht übermäßig intelligent und hat auch nicht die notwendigen Grundkenntnisse. Das ist die eine Seite.“
Auf gut deutsch: Der deutsche, promovierte Entwickler soll einfach dumm sein. Ich hoffe, dass den Mitarbeitern der HOB GmbH & Co KG sowie Herrn Klaus Brandstätter nie Fehler unterlaufen. Ansonsten könnte man meinen, sie wären nach Ansicht des CEO von HOB nicht übermäßig intelligent. Er schreibt weiter:
„Wie kommt es, dass ein so qualifizierter Entwickler an hochsensibler Sicherheits-Software arbeiten darf? Dafür sind andere verantwortlich. OpenSSL ist Open-Source Software. Entwickelt wird meinst ohne Entlohnung, als Hobby, neben dem Beruf. Solche Open-Source Entwickler sind oft erst 17 Jahre alt.“
Ich denke die Aussagen sprechen für sich selbst. Aber er ist noch nicht fertig:
„Es gibt hervorragende Open-Source Lösungen. Aber der überwiegende Teil der Open-Source Software ist von wirklich minderer Qualität. Open-Source Projekte werden gemanaged. Wie wird OpenSSL gemanaged? Wie kann das Management (egal in welcher Art) zulassen, dass unqualifizierte Bastler an hochsensibler Sicherheits-Software mitentwickeln? Eine Software zu programmieren, welche irgendwie funktioniert, das schaffen auch wenig qualifizierte Entwickler. Qualität ist eine andere Sache.“
Ich fordere von Herrn Klaus Brandstätter eine Klarstellung und Entschuldigung gegenüber dem deutschen Entwickler von OpenSSL sowie gegenüber allen anderen qualifizierten OpenSource Entwicklern und der Open Source-Gemeinschaft. Und zwar in einer wieder ganzseitigen Anzeige in der Frankfurt Allgemeinen Zeitung!
1. Ergänzung: Mittlerweile wurde von jemand anderem die Werbeanzeige online gestellt.
2. Ergänzung: Die Werbeanzeige soll angeblich auch im Handelsblatt erschienen sein.
3. Ergänzung: Auf der Homepage von HOB existiert eine Presse-News, in der Heartbleed erklärt wird. Ich möchte die URL absichtlich nicht verlinken, deswegen Plaintext: http://www.hob.de/news/2014/news0714.jsp Wer Heartbleed „wirklich“ verstanden hat, kann ein bisschen schmunzeln ;-).
4. Ergänzung: HOB nutzt OpenSSL: https://www.hobsoft.com/error-message
Apache/2.0.52 (Unix) mod_ssl/2.0.52 OpenSSL/0.9.7k mod_jk/1.2.6 PHP/5.2.0 Server at www.hobsoft.com Port 443
Powered by OpenSSL ;-)
5. Ergänzung: Die Werbeanzeige ist nun im Wortlaut auf der Homepage von HOB online: http://www.hob.de/news/2014/news0814.jsp
6. Ergänzung: Jan Wildeboer hat die Anzeige ins Englische übersetzt: https://plus.google.com/112648813199640203443/posts/KLtMf6m4bSE
7. Ergänzung: Die Anzeige soll sich nun auch in der ZEIT finden.
8. Ergänzung. Die Anzeige erschien auch in englisch im Wall Street Journal.